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19.01.2017

Schiedsrichter

Das innere Feuer hat immer gebrannt

Anlässlich der Week of the Referee würdigen wir die lange und erfolgreiche Karriere des Spitzenschiedsrichter-Duos Baumgartner/Kläsi, die per Ende Saison ihren Rücktritt angekündigt haben. Thomas Kläsi erzählt im Interview von den bald 23 Jahren als Schiedsrichter.

Thomas Kläsi, zweiundzwanzigeinhalb Saisons als Schiedsrichter liegen hinter dem Duo Thomas Baumgartner/Thomas Kläsi. Wie hält man eine Karriere so lange am Leben?

Thomas Kläsi: Es braucht vor allem sehr viel Freude am Unihockey. Bis heute haben wir 1239 Partien geleitet. Ich glaube, davon musste ich mich keine fünfmal überwinden, zu einem Spiel zu fahren. Das innere Feuer hat immer gebrannt. Nur deshalb war eine so lange Karriere möglich. Daneben braucht es natürlich die Unterstützung des Umfeldes. Meine Partnerin Caroline hat sich zum Glück nie beschwert, dass ich so oft weg war. Wir erschrecken aber manchmal schon selber, wie schnell die über 22 Saisons vorübergehen konnten.

Wie entstand diese Leidenschaft?

Wir waren beide Spieler beim UHC Grünenmatt. Spielerisch waren wir eher Mittelmass, hatten aber damals schon eine riesige Freude an diesem Sport. Eines Tages kam mein Coach auf mich zu, weil der Club noch Schiedsrichter brauchte, um das vom Verband vorgegebene Kontingent zu erreichen. Mein Vater überzeugte mich schliesslich, dieses Amt zu übernehmen, obwohl ich anfangs überhaupt nicht begeistert davon war. Irgendwann, so in der zweiten Saison, hat es mich dann gepackt. Damals haben Thomas Baumgartner und ich beschlossen, gemeinsam als Schiedsrichter-Duo anzufangen.

Der Start zu einer langen Karriere.

Wir haben sehr schnell längerfristige Ziele definiert. Das hat dazu geführt, dass wir uns jedes Jahr vorangetrieben und motiviert haben, weiterzumachen und besser zu werden. Als 1995 die Europameisterschaft in der Schweiz stattfand, gingen wir ein paar Spiele schauen und sahen dort zwei internationale Schiedsrichter, die einen sehr schönen Trainer trugen. Da sagten Boumi und ich zueinander: Einen solchen Trainer wollen wir eines Tages auch einmal (lacht). Von dort an war es unser definiertes Ziel, internationale Schiedsrichter zu werden.

Welche Tipps hast du für junge Schiedsrichterpaare für eine ebenso lange und erfolgreiche Karriere, wie Ihr sie hattet?

Unser Erfolgsgeheimnis im Generellen war für uns die langfristige Planung sowie die Motivation, etwas zu erreichen. Die Ziele sollten am Anfang der Karriere nicht zu hoch sein. Danach braucht es den Biss, das Ganze durchzuziehen. Ich glaube, es gibt kein Schiedsrichterpaar, das nicht ab und zu auch mal den Kopf angeschlagen hat. Nach einem steilen Aufstieg, guten Feedbacks und Observationen kommt oft irgendwann ein Knick und ein wenig Gegenwind. Dort straucheln viele. Da muss man durch und den nötigen Gegendruck aufbauen. Ich hatte einmal ein interessantes Gespräch mit einem BillardEuropameister. Er sagte zu mir, ich müsse mir nach jedem Spiel folgende drei Fragen stellen: A) was hast du heute gut gemacht? B) was kann ich besser machen? C) wie kann ich das besser machen? Wenn du diese Fragen nach jedem Spiel beantwortest, wirst du unweigerlich besser. 

Wann kam bei euch der angesprochene Knick?

In unserer Karriere gab es eigentlich zwei Knicke. Der eine war die «Bestätigungssaison» in der NLA. Etwas, das wahrscheinlich viele Schiedsrichterpaare kennen. Wir kamen relativ schnell in die höchste Liga und alles lief super. Nach unserer ersten Saison dachten wir, das sei alles ein Kinderspiel (schmunzelt). In der zweiten, dritten Saison erwarteten die Mannschaften aber mehr von uns. Da mussten wir merken, dass alles doch nicht so einfach ist und wir unsere Performance nochmals steigern müssen.

Und der zweite Knick?

Der kam in der Saison 2007/08, nachdem wir den WM-Final 2006 gepfiffen hatten. Dieser Final war unser grosses Ziel gewesen, darauf hatten wir jahrelang hingearbeitet. Danach war es schwierig, ein neues Ziel und damit die Motivation wiederzufinden. Dazu kam, dass der Final nicht gerade so gelaufen war, wie wir uns das gewünscht hatten. Die Finnen waren nicht gerade begeistert von uns und wären uns nach dem Spiel am liebsten an die Gurgel gegangen (Anmerkung der Redaktion: Für die Finnen war eine 5-Minuten-Strafe der Grund für die Niederlage in der Verlängerung). Wir wurden unter Polizeischutz aus der Halle begleitet und dann mit einer Limousine in die Stadt gefahren. Da haben wir uns schon gefragt, ob dies das Richtige sei, was wir da machten. 

Was euch die Schiedsrichtertätigkeit zurückgegeben?

Extrem viel. Für mich das Coolste: Sie hat uns an sehr viel Orte auf der Welt gebracht, die ich sonst nicht gesehen hätte – Tokyo, Kanada, ganz Skandinavien. Wir sind ganze 93 Mal in einem Flugzeug gesessen, um irgendwo auf der Welt ein internationales Spiel zu leiten. Und natürlich ist das Schiedsrichtern eine Lebensschule. Man lernt, mit Leuten umzugehen, zu kommunizieren, Kritik einzustecken. In meinem Job merke ich das gut. Ich arbeite bei einer Versicherung im Aussendienst. Wenn unzufriedene Kunden mit uns härter ins Gericht gehen, stecke ich das im Vergleich zu meinen Arbeitskollegen relativ schnell weg. Auch meine schnellen Entscheidungen im Job oder im Privatleben habe ich vom Schiedsrichtern übernommen. Das kann manchmal gut und manchmal schlecht sein, aber es prägt einen. Auf dem Feld habe ich ja auch nicht eine halbe Stunde Zeit, zu entscheiden, was ich jetzt mache. Zu guter Letzt habe ich durchs Unihockey wahnsinnig viele Leute kennengelernt.

Wie viel Überwindung braucht es, der Unihockey-Welt per Ende Saison nun den Rücken zu kehren?

Ich glaube, das ist bei uns beiden unterschiedlich. Boumi wurde gerade zum ersten Mal Vater – von daher fällt es ihm leichter, die Schiedsrichterkarriere nun an den Nagel zu hängen. Ich selber will der Unihockey-Welt noch nicht den Rücken kehren. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, mit einem anderen Partner noch ein wenig weiter zu pfeifen. Auf welchem Niveau weiss ich aber selber noch nicht genau.

Welche Erinnerungen an all eure gemeinsamen Partien sind dir heute am stärksten präsent?

Die Top-Spiele wie der WM-Final 2006, der Champions-Cup-Final 2013, der StudentenWM-Final 2002 und diverse Länderspielderbys zwischen Schweden und Finnland werden mir immer in Erinnerung bleiben. Sehr speziell war auch unser erstes NLA-Spiel im September 1996. 

Inwiefern?

Wir waren damals knapp NLB-Schiedsrichter, als im Cup-1/16-Final die beiden NLA-Clubs Rot-Weiss Chur und Torpedo Chur aufeinandertrafen. Damals mussten die Clubs die Schiedsrichter noch selber organisieren und die Bündner wollten eigentlich das arrivierte Schiedsrichterduo Baumgartner/Baumgartner aufbieten. Dabei erwischten sie wohl die falsche Nummer und landeten bei meinem Partner Thomas Baumgartner, der freudig zusagte. Vor Ort sind natürlich alle aus allen Wolken gefallen, als sie uns sahen. Letzlich war man zwar der Meinung, wir hätten das gar nicht so schlecht gemacht. Aber ich war vorher und nachher nie mehr so nervös wie vor diesem Spiel.

Weitere heitere Anekdoten aus eurer sehr langen Karriere?

Ich erinnere mich, wie wir vor über 15 Jahren zum ersten Mal beim Czech Open im Einsatz waren und als «Lohn» für die 17 geleiteten Spiele nach dem Turnier 24 Dosen Bier erhielten. Wie sich der Sport und das ganze Drum und Dran seither entwickelt hat, ist wirklich unglaublich. Daneben gibt es unzählige weitere Geschichten.

Auch solche abseits des Spielfelds?

Für unseren ersten internationalen Einsatz reisten wir mit der Schweizer U19-Nati nach Belgien an ein Sechsländerturnier. Der Schwede Kalle Seiler war damals international für die Schiedsrichter verantwortlich und er war es, der entschied, ob ein Schiedsrichter gut war und eingesetzt wurde oder nicht. Kurz: Er war gar nicht begeistert von uns. Trotzdem erhielten wir später ein Aufgebot für die U19-WM in Deutschland 2001 – und Kalle Seiler war als Chef-Observer vor Ort. Er gab uns klar zu verstehen, dass diese U19WM unsere letzte Chance sei, international wieder aufgeboten zu werden, was uns natürlich ziemlich unter Druck gesetzt hat.

Offenbar ist es aber gut ausgegangen.

Wir pfiffen unser erstes Spiel, ich glaube es war Schweden gegen Norwegen – nachdem wir versehentlich in der Garderobe eingeschlossen wurden und fast zu spät zum Anpfiff gekommen wären. Etwa bei Spielhälfte gab es eine Szene, die wir so nur einmal erlebt haben: Wir konnten uns einfach nicht einigen, wie es weitergehen sollte. Boumi pfiff eine Strafe und ich einen Freistoss. Wir waren uns aber partout nicht einig, in welche Richtung. Wir standen sicher zwei Minuten in der Mitte des Spielfeldes und stritten uns. Boumi hat sich dann durchgesetzt, ich regte mich ziemlich darüber auf. Für uns war klar, dass wir unsere Chance damit vertan hatten. Nach dem Spiel kam Kalle Seiler zu uns und lobte unsere interne Kommunikation. Zum Glück verstand er kein Berndeutsch und wusste nicht, welche unschönen Wörter wir uns auf dem Spielfeld ausgeteilt hatten (lacht). Mit diesem vermeintlich verkorksten Spiel erhielten wir also den Startschuss für unsere internationale Laufbahn.

In Riga habt Ihr für die Teilnahme an sechs Männer-Weltmeisterschaften die silberne IFF-Ehrenmedaille erhalten. Was bedeutet euch diese Auszeichnung?

Als ich die Einladung zur Ehrung erhielt, freute ich mich nicht in erster Linie über die Auszeichnung, sondern vor allem darauf, an die WM zu reisen, mir ein paar Spiele anzuschauen und alte Bekannte zu treffen. Als ich die Ehrennadel schliesslich erhielt, machte es mich aber schon stolz. Vor allem darauf, was wir alles geleistet haben, um diese sechs WM-Teilnahmen zu erreichen. Die Auszeichnung gibt mir das Gefühl, dass auch die Leistung der Schiedsrichter anerkannt wird.

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